Kordel aus Narzissen-Blättern

Eine Kordel aus Narzissen-Blättern? Ja, das geht, sogar sehr gut! Die verwelkten Blätter der Osterglocken bringen alle notwendigen Eigenschaften mit, die man zum Zwirnen einer Schnur oder Kordel braucht. Also gar nicht so abgedreht, wie es vielleicht im ersten Moment klingen mag, sondern nur verdreht.

Die Blätter der Narzissen (Narcissus) bzw. der in den Gärten weit verbreiteten Osterglocken (Narcissus pseudonarcissus) sind lang, schmal und haben parallel verlaufenden Blattadern. Das macht sie zu einem geeigneten Material für Kordeln und Schnüre, denn sie sind flexibel und relativ reißfest.

Aber warum sollte man eine Schnur aus Narzissen-Blättern machen, wo es doch Schüre aller Art preisgünstig zu kaufen gibt? Dafür gibt es mehrere gute Gründe:

  1. Das Sammeln der verwelkten Narzissen-Blätter bietet die Möglichkeit, sich bewusst den Lebenszyklus dieser Frühblüher anzuschauen. Sie hatten ihren großen Auftritt bereits im Frühling und ziehen sich nun langsam zurück, um anderen Pflanzen Platz zu machen. Um den Sommer gut zu überstehen, ziehen sie die für sie wichtigen Inhaltsstoffe der Blätter in die unterirdische Zwiebel zurück. Das kann man sehr gut daran erkennen, dass die langen Blätter von der Spitze her beginnen, gelb zu werden, während sie am unteren Ende oft noch grün sind. Gleichzeitig reifen oberirdisch die Samen in den Samenkapseln, die aus den befruchteten Blüten hervorgehen. Die Narzisse hat also zwei erfolgreiche Strategien, um zu überleben und sich zu vermehren: über die Zwiebeln und über die Samen.
  2. Das Verzwirnen von Pflanzenmaterial mit der Hand ist eine gute Übung für Fingerfertigkeit, „Fingerspitzengefühl“ und Feinmotorik. Hat man es mit Narzissen-Blättern geübt, kann man auch mit anderen anderen Pflanzen nach dem gleichen Prinzip Schnüre und Kordeln herstellen, z.B. aus Brennnessel-Fasern (sehr reißfest!), Schwertlilien-Blättern (siehe auch Korb aus Schwertlilien-Blättern), Gräsern und sogar Rhabarber-Fasern!
  3. Das Drehen von Kordeln ist eine sehr beruhigende und meditative Tätigkeit – zumindest, wenn man die Dreh einmal raus hat.
  4. Die eigene Herstellung von Schnüren aus Pflanzenmaterial gibt einem ein Gefühl dafür, wie wertvoll diese alltäglichen Dinge früher gewesen sind, bevor man die Kordeln und Schnüre – oft aus Kunststoff und in Asien produziert – für wenig Geld jederzeit kaufen konnte.
  5. Eine selbst gezwirnte Kordel ist ästhetisch ansprechend und nachhaltig.

Es lohnt sich also, den verblühenden Narzissen einen zweiten Blick zu schenken und ihren Wert nicht nur in einer besonders gefüllten oder farbigen Blüte zu sehen. Gerade die Zucht-Narzissen eignen sich besonders gut für ein Kordel-Projekt, da sie meist größer sind und lange Blätter haben. Außer in Gärten wachsen Zucht-Narzissen auch oft in Parks, werden dort aber meist abgemäht, bevor sie Blätter vollständig gelb geworden sind. Wilde Narzissen in Naturschutzgebieten dürfen nicht gesammelt werden!

Um eine Kordel aus Narzissen-Blättern zu machen, müssen die Blätter möglichst lange an der Pflanze bleiben, bis sie fast von alleine abfallen. Das merkt man daran, dass sich das Blatt ganz leicht löst, wenn man vorsichtig daran zieht.

Hat man eine Handvoll gelber Blätter gesammelt, müssen diese zuerst zum Trocknen ausgebreitet werden. Je nachdem, wie trocken sie bereits waren, haben sie innerhalb weniger Stunden oder von 1-2 Tagen so wenig Rest-Feuchtigkeit, dass sie leise rascheln.

Um sie zu verarbeiten, müssen sie dann allerdings wieder eingeweicht werden. Dafür werden die Blätter für ca. 5 Minuten in eine Schüssel mit kaltem Wasser gelegt. Anschließend werden sie aus dem Wasser genommen, in einem trockenen Geschirrtuch vorsichtig ausgedrückt und dann in ein feuchtes Tuch eingeschlagen, damit sie nicht wieder austrocknen. Die Blätter sollen für die Verarbeitung leicht feucht, aber nicht nass sein.

Für den Beginn drei unterschiedlich lange Narzissen-Blätter nehmen und etwas versetzt übereinanderlegen. Dann das Bündel ungefähr in der Mitte zusammenfalten und die entstandene Schlaufe mit einer Hand festhalten. Mit der anderen Hand die obere Hälfte der Fasern mit den Fingerspitzen fest um ca. 180° nach hinten miteinander verdrehen. Anschließend die gerade verdrehten Fasern nach unten über die noch unverdrehten Fasern legen und dann diese ebenfalls nach hinten verdrehen.

Diese beiden Bewegungen wiederholen: Oberes Bündel verdrehen, dann nach unten über das andere Bündel legen. Mit der (linken) Hand dabei immer die gerade verkreuzte Stelle festhalten. Wenn eines der Blätter verbraucht ist, ein weiteres Blatt mit der Mitte in die Kreuzungs-Stelle legen und weiter arbeiten. Dabei darauf achten, dass die beiden Blätter-Bündel jeweils etwa gleich dick sind.

Auf diese Weise die Kordel immer weiter verlängern, bis sie die gewünschte Länge hat oder das Pflanzenmaterial aufgebraucht ist.

Die Ansatzstellen neuer Blätter sollten nicht sichtbar sein. Wenn an manchen Stelle Blattenden herausschauen, können diese am Schluss vorsichtig mit einer Nadelschere gekürzt werden. Dann die Narzissen-Blätter-Kordel trocknen lassen und für dekorative Zwecke verwenden.

Wichtiger Hinweis: Narzissen sind NICHT essbar! Wie die meisten Frühblüher enthalten sie giftige und reizende Stoffe. Zwar sollte davon in den getrockneten Blätter nicht mehr viel enthalten sein, es ist aber auf jeden Fall angebracht, die Hände nach der Arbeit mit diesem Pflanzenmaterial gründlich zu waschen.

Außerdem unbedingt die Vorschriften zum Naturschutz beachten und am besten nur im Garten und nur nachhaltig sammeln!

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