Im November kann es einem an manchen Tagen so vorkommen, als würde es überhaupt nicht hell werden. Ist es nicht nur grau, sondern auch nass und windig draußen, kann das schon mal aufs Gemüt schlagen. Dann ist es am besten, wenn man es sich nach einer kurzen Runde an der frischen Luft zuhause mit einer warmen Decke, einem duftenden Tee, einer Kerze und einem guten Buch gemütlich macht. Denn war man erst einmal in der trüben November-Kälte, freut man sich umso mehr über die Wärme und das Licht.


Diese Erfahrung inspiriert mich zu einer Idee: ein warmer, gewebter Schal greift das November-Thema durch den Kontrast zwischen düsterer Nicht-Farbe und bunten Farb-Elementen auf. Der Grundton ist grau, dazwischen jedoch blitzen kleine Punkte und Streifen aus leuchtenden Farben durch. Auf dem monochromen Hintergrund wirken sie umso lebendiger.


Das Gewebe ist aus selbst gesponnenem Wollgarn und Seide gearbeitet. Das Vlies von grauen Gotlandschafe ist wunderbar weich und glänzt matt. Es eignet sich deshalb bestens für den mittelgrauen Grund des Schals. Für die kleinen Farb-Akzente wird die Hälfte des Gotland-Vlieses vor dem Spinnen mit ca. 10% bunter Sari-Seide kardiert. Das macht Spaß und sieht schon beim Kardieren super aus. Das für den Schuss verwendete Dochtgarn bekommt dann beim Spinnen tatsächlich einen Tweed-ähnlichen Effekt. Im gesponnen Garn heben sich die Farbtupfer also auch gut von den grauen Gotland-Fasern ab.


Als Blickfang soll in größeren Abständen ein einzelner, dicker Schussfaden aus Sari-Seide eingearbeitet werden. Die Kettfäden des Schals sind aus einfarbig grauer Gotlandschaf-Wolle gesponnen und zweifach verzwirnt. Gewebt wird in einfacher Leinwandbindung, um die Farbeffekte nicht durch weitere Strukturen oder Muster zu überdecken.


Die Kette ist mit 6 m Länge ausreichend bemessen für 2 herrlich lange Schals einschließlich Fransen. Der Webrahmen hat eine Breite von 60 cm. Nun wird es spannend: wird der gewünschte Effekt beim Weben herauskommen?


Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Die kleinen Farbtupfer heben sich gut vom Untergrund ab. In nicht ganz gleichmäßigen Abständen wird jetzt das dicke Sari-Garn eingelegt. Es hebt sich nicht nur optisch, sondern auch haptisch vom Grundgewebe ab und setzt damit sehr auffallende Akzente.


Also schnell weiter gewebt, bis die Länge des ersten Schals (2 m) erreicht ist. Am ersten Schal müssen nun zuerst an beiden Enden die Kettfäden mit einem Saumstich per Hand gesichert werden. Danach wird die Kette abgeschnitten und die Kettfäden werden für den zweiten Schal neu an den Warenbaum angebunden.


Dann können die Fransen gedreht werden. Eine etwas mühsame Arbeit, die sich aber lohnt. Das Gewebe kann sich nun nicht mehr auflösen und die Kettfäden sich nicht mehr verheddern. Jetzt kann das gute Stück, das sich noch sehr steif anfühlt und ein wenig an Sackleinen erinnert, endlich gewaschen werden. Durch das Waschen entspannen sich die Wollfasern und der gewebte Stoff wird fühlbar weicher.


Nach dem Trocknen und vorsichtigen dämpfen ist der Schal endlich fertig. Viele Stunden Arbeit stecken in diesem Projekt, vom Kardieren der Fasern über das Spinnen, Weben, Säumen, Fransendrehen, Waschen bis zum Trocknen. Aber es hat sich gelohnt: in den warmen, weichen Schal kann man sich nicht nur an grauen November- und Wintertagen einwickeln, aber vor allem in der dunklen Jahreszeit hält er auch die tröstende Botschaft bereit, auch die kleinen Glückmomente und Lichtblicke im Leben bewusst wahrzunehmen. Denn auch wenn es grau und düster ist, gibt es sie. Ganz bestimmt!
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