Gedanken zum Kauf-Nix-Tag

Was wäre Weihnachten ohne die Vorweihnachtszeit, die spätestens mit dem Black Friday beginnt und dann über unzählige Advents-Super-Sonderangebote, Weihnachts-Schnäppchen und verkaufsoffene Sonntage bis zum Heiligabend weitergeht? Und wie wäre es da mit einem Tag, an dem man einfach mal überhaupt nichts kauft? Kaum vorstellbar?

Der Kauf-Nix-Tag ist eine Gegenbewegung zum Black-Friday, er findet in Nordamerika am letzten Freitag, in Europa am letzten Samstag im November statt. Er soll auf den Konsumrausch aufmerksam machen, der vor allem in dieser Zeit des Jahres in immer mehr Ländern, nicht in nur der „westlichen Welt“ stattfindet. Den Kauf-Nix-Tag gibt es seit 1992, inzwischen in ca. 80 Ländern weltweit.

Einen Tag lang nichts zu kaufen, das scheint eher unspektakulär und bis vor wenigen Jahrzehnten war es das auch. Die Geschäfte hatten sonntags geschlossen, Feierabend! Entweder man hatte spätestens bis Samstagmittag alles fürs Wochenende besorgt – oder man musst bis Montag warten. Man hat sich darauf eingerichtet und brauchte dementsprechend am Sonntag auch keine Zeit für Einkäufe einzuplanen.

Dann kamen die langen Samstage, die verkaufsoffenen Sonntage, die 24/7-Läden und das Internet mit seiner stetig wachsenden Zahl an Online-Shops. Nicht nur vor Ort immer länger und immer mehr, sondern auch weit über die eigene Region hinaus so ziemlich alles einkaufen zu können, und das jederzeit rund um die Uhr vom Sofa aus mit einem Mausklick – was für eine bahnbrechende Errungenschaft! Einerseits.

Aber es gibt natürlich Schattenseiten. Die ständige Möglichkeit, Dinge kaufen zu können, bringt uns um eine wichtige Pause im Konsumieren, eine Pause des Innehaltens.

Sich dem Sog der ständigen Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen und den Untiefen des Internets zu entziehen, ist bekanntlich nicht einfach. Dazu kommt die Werbung, die uns mit allen subtilen und manchmal auch sehr plumpen Mitteln davon zu überzeugen sucht, was wir alles unbedingt brauchen. Und vor allem online werden die Angebote immer präziser auf unsere individuellen Interessen und Bedürfnisse maßgeschneidert, so dass wir noch schwerer „Nein!“ sagen können. Aber welche Bedürfnisse haben wir überhaupt? Was brauchen wir wirklich?

Um genau darüber nachzudenken, ist ein Kauf-Nix-Tag eine gute Sache. Einfach mal einen Tag lang nichts kaufen – weder live noch online. Das muss nicht unbedingt der festgelegte Tag sein, es geht auch jeder andere. Natürlich heißt ein Tag, an dem man nichts kauft, nicht automatisch, dass man weniger kauft. Man kann ja die Dinge, die man meint zu brauchen, auch vorher oder nachher kaufen.

Es geht vielmehr um das Innehalten, sich dem Konsum-Sog entziehen, zur Ruhe zu kommen und nachzudenken. Was brauche ich wirklich? Brauche ich dieses oder jedes tatsächlich? Kann ich es mir vielleicht aus ausleihen oder gebraucht kaufen. Gibt es dieses Produkt vielleicht auch aus handwerklicher Produktion oder mit Fair-Trade-Siegel? Könnte ich an dem Tag, statt in die Stadt zu gehen und durch überfüllte Geschäfte zu hetzen, einen Spaziergang durch Wald und Wiese machen? Oder könnte ich, statt bei der Jagd von einem Online-Special zum nächsten allein auf der Couch zu hocken, mich mit jemanden auf einen Kaffee treffen und dabei einfach mal plaudern?

Vielleicht könnte ich auch etwas ganz Einfaches aus Dingen, die ich bereits habe oder in der Natur finde, selber machen: ein Blumensträußchen, ein Kränzchen, ein kleines Gesteck, ein Mandala aus bunten Blättern (ja, auch im November gibt es in der Natur noch viel zu entdecken). Das befriedigende Gefühl, etwas selbst gemacht zu haben, hält übrigens sehr viel länger an das das Erfolgsgefühl eines schnellen Schnäppchens. Etwas mit den eigenen Händen zu machen, erfüllt mit großer Zufriedenheit, auch wenn das „Endprodukt“ vielleicht nicht so perfekt ist wie ein industriell hergestelltes.

Es geht also nicht um das konkrete Datum des Kauf-Nix-Tages und nicht nur einfach darum, für eine Zeitspanne von 24 Stunden nichts zu kaufen, sondern um die grundlegenden Überlegungen zum eigenen Konsum, über Sinn und Unsinn vieler Produkte, über die Art und Weise, wie und wo diese Dinge unter welchen Umständen produziert werden und auf welchen Wegen sie letztendlich zu uns oder in die Geschäfte gelangen. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass die Waren für die Schnäppchen-Angebote oft in jeder Hinsicht „billig“ sind und entsprechend schnell schon  die Umwelt als weiterer Müll belasten.

Und diese Überlegungen kann man am besten anstellen, wenn man sich diese Pause gönnt, zum Beispiel am Kauf-Nix-Tag am 27.11.2021. Möglicherweise lässt sich der eigene Konsum auf diese Weise nicht nur für einen Tag, sondern nachhaltiger verändern. Und vielleicht kommt man auf diese Weise auch entspannter durch diese eigentlich „besinnliche“ Zeit.

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