Kriecherl? Latwerge? Eine alte Obstsorte und eine altbewährte Zubereitung, die in Kombination ein puristisches, intensives Geschmackserlebnis bereiten. Und ein Vergleich…


Kriecherl (Prunus cerasifera) sind alte Steinobstsorten, die häufig verwildert vorkommt. Sie sehen Mirabellen ähnlich und werden oft auch Kirschpflaumen genannt. Sie sind eine Pflaumenart mit relativ kleinen Früchten, die gelb, orange, rot oder violett sein können. Sie werden heutzutage praktisch nicht mehr angebaut, weil sie nicht gut lagerfähig sind und längere Transportwege nicht gut überstehen. Es gibt sie, ggf. auch als Kreuzungen verschiedener Sorten, aber recht weit verbreitet als verwilderte Obstbäume oder wilde Hecken. Als Ziergehölz mit roten Blättern sind sie manchmal auch in Parks und Gärten anzutreffen.
Kirschpflaumen blühen sehr früh und üppig und bieten vielen Insekten Nahrung und Schutz, sie zählt sogar zu den „Bienenweiden“. Ihre Früchte können je nach Standort sehr unterschiedlich schmecken, von eher fad bis sehr aromatisch. Bevor man sie sammelt lohnt es sich auf jeden Fall, sie erst einmal zu probieren, in der Regel schmecken sie fruchtig-säuerlich.
Hat man eine schmackhafte Sorte gefunden, stellt sich die Frage, was man damit machen kann, denn die Früchte sind viel zu schade, um sie ungenutzt zu lassen und meist tragen sie auch so üppig, dass noch genug zurückbleibt. Einen Haken haben die Kriecherl: sie lassen sich nicht so gut entsteinen wie z.B. Zwetschgen. Das mag vielleicht auch ein Grund sein, warum sie kommerziell nicht interessant sind.


Nun kann man sie natürlich entsaften, was das Problem des Entsteinens löst. Der Nachteil: will man den Saft haltbar machen, benötigt man entweder viel Zucker (als Sirup oder Gelee) oder dazu auch noch Alkohol (als Likör). Entsteint man sie dagegen, lässt sich daraus Kompott, Rote Grütze oder Konfitüre herstellen oder Kuchen damit belegen. Der Vorteil: die Früchte behalten ihr Fruchtfleisch und damit auch mehr Aroma und wichtige Ballaststoffe – und man benötigt weniger Zucker.
Oder man macht daraus Latwerge, ein sehr stark konzentriertes Fruchtkompott. Diese Zubereitungsart ist sehr alt und in sehr vielen Regionen verbreitet gewesen – schon die alten Griechen sollen sie gekannt haben. Sie ist eine einfache Methode, um Früchte, insbesondere Steinobst, haltbar zu machen, indem man den Wasseranteil durch langsames erhitzen reduziert. Leider ist sie heutzutage etwas aus der Mode gekommen, denn dank des in rauen Mengen für wenig Geld zur Verfügung stehenden raffinierten Zuckers sind andere Zubereitungen schneller, effizienter und billiger herzustellen. Wer jedoch den Zuckerkonsum im Blick hat, kann sich über die Wiederentdeckung der Latwerge freuen, denn sie enthält zwar den natürlich in den Früchten vorkommenden Zucker, aber es wird ihr kein (oder ggf. nur eine minimale Menge) Zucker zugesetzt. Das Ergebnis ist konzentrierter Geschmack.


Die Zubereitung ist nicht schwieriger als die Herstellung eines Kompotts oder einer Konfitüre, sie dauert nur etwas länger. Dabei karamellisiert ein Teil des Fruchtzuckers, was zusätzliche Aromen mit sich bringt.
Die Kriecherl werden gewaschen und entsteint (das geht bei Früchten, die noch nicht überreif sind, tatsächlich mit einem Kirschentsteiner ganz gut). Beim Entsteinen entsteht bereits etwas Saft, der mit aufgefangen werden sollte.


Die entsteinten Früchte werden in einen möglichst weiten Topf gegeben und bei geringer Hitze langsam aufgekocht. Unter gelegentlichem Umrühren kochen sie so lange weiter, bis sie beginnen zu zerfallen und die Flüssigkeit weitgehend verdampft ist. Dann muss häufiger und zum Schluss ständig umgerührt werden, damit die Latwerge nicht anbrennt.
Wenn die Kriecherl-Latwerge auf ca. 1/3 der ursprünglichen Menge reduziert ist und beim Rühren kurz der Topfboden zu sehen ist, ist die Konsistenz richtig und die Latwerge kann heiß in Schraubdeckelgläser abgefüllt werden. Nach dem Erkalten wird der Aufstrich noch etwas fester und lässt sich gut aufs Brot streichen.


Wer die Latwerge nicht ganz so puristisch bevorzugt, kann beim Kochen noch eine Stange Zimt, einer Sternanis-Frucht oder ein paar Kardamomkapseln zugeben, die am Schluss wieder entfernt werden. Oder man schmeckt am Schluss mit ein wenig gemahlenen Gewürzen ab (siehe auch Zwetschgen-Latwerge).
Große Mengen Latwerge lassen sich alternativ auch in einem Bräter im Ofen zubereiten. Dann muss man weniger umrühren und hat mehr Fläche, auf der die Flüssigkeit verdampfen kann. Ebenfalls geeignet ist ein Slow-Cooker.


Und nun zum Vergleich: man kann aus Kriecherln natürlich auch Konfitüre herstellen, also einen Fruchtaufstrich, der die ganze Frucht bzw. ein daraus hergestelltes Fruchtmus enthält. Um diese sehr flüssige Zubereitung haltbar zu machen, braucht es zum einen (viel) Zucker und darüber hinaus noch eine Substanz, die dafür sorgt, dass die fertige Konfitüre streichfähig ist, also nicht vom Butterbrot fließt. Das wird in der Regel mit Pektin erreicht. Weniger bekannt ist, dass darüber hinaus auch oft noch Öl oder Fett enthalten ist, das die Bildung von Schaum beim Kochen verhindert. Verwendet man Gelierzucker mit einem geringeren Zuckeranteil, beispielsweise 2:1 oder 3:1, ist außerdem meist noch ein Konservierungsmittel enthalten (z.B. Kaliumsorbat), da ansonsten die Haltbarkeit nicht gewährleistet ist. Zusätzlich ist ein Säuerungsmittel, in der Regel Citronensäure (eine zwar natürlich in vielen Früchten vorkommende Substanz, industriell allerdings überwiegend aus Schimmelpilzen hergestellte Säure, die ähnlich wie Zitronensäure schmeckt), zugesetzt. Dies ist notwendig, um die Süße, die durch den zugesetzten Zucker entsteht, wieder auszubalancieren. Ansonsten würde ein Fruchtaufstrich einfach nur süß schmecken.


Im Vergleich ist hier links die Latwerge aus den Kriecherln zu sehen, recht eine Konfitüre, die mit 2:1 Gelierzucker hergestellt ist. Die Latwerge ist dunkler und fester, die Konfitüre ist dagegen eher golden und teilweise transparent.
Nicht nur geschmacklich würde ich mich immer wieder für die Latwerge entscheiden, denn weniger ist hier eindeutig mehr.


Tipp: ähnlich wie Latwerge ist die im angloamerikanischen Sprachraum bekannte „Butter“, unter der ebenfalls ein langsam reduziertes Fruchtmus zu verstehen ist. So lässt sich zum Beispiel aus Äpfeln (Fallobst oder „Krumme Dinger“) eine leckere Apple Butter kochen.
Wichtiger Hinweis: Wildpflanzen und andere Pflanzen dürfen nur als Lebensmittel verwendet werden, wenn sie 100%ig sicher bestimmt werden können! Für die sichere Erkennung unbedingt zuverlässige Bestimmungsbücher zu Rate ziehen und an Wildpflanzen-Führungen und -Schulungen teilnehmen. Die Verwechslung mit giftigen Doppelgängern muss ausgeschlossen werden können!
Auch für die äußerliche Anwendung von Wildpflanzen ist eine absolut sichere Bestimmung Voraussetzung. Selbst für Dekorationszwecke, insbesondere für Tischdekoration sollten nur ungiftige Wildpflanzen verwendet werden.
Außerdem unbedingt die Vorschriften zum Naturschutz beachten und nur nachhaltig sammeln! Unter Schutz stehende Wildpflanzen dürfen nicht gesammelt werden!
Entdecke mehr von Maison Rieck Manufaktur
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.