Kordel aus Brennnesselfasern

Dass die Brennnessel so viel mehr kann, als mit ihren Brennhaaren bei Berührung für unangenehme Erfahrungen zu sorgen, ist leider weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Brennnessel ist zum einen ein wichtiges Nahrungs- und Heilmittel für Menschen und eine unentbehrliche Futterpflanze für Tiere, vor allem für Insekten. Sie ist aber auch ein wertvoller Lieferant für pflanzliche Fasern. Dieser Aspekt der Brennnessel ist heutzutage noch weniger bekannt als die Nutzung als Heil- und Lebensmittel

Die Fasern der Brennnessel haben ähnliche Eigenschaften wie die des Flachs, aus dem Leinen hergestellt wird. Feine Fasern können zu dünnen Fäden versponnen und zu einem Stoff verwebt werden, der auch als „Nesselstoff“ oder „Bauernleinen“ bekannt ist und früher vor allem für einfache Textilien verwendet wurde.

Viel länger als die feinen Fasern wird aber bereits der „Bast“ der Brennnessel durch die Menschen genutzt. Er lässt sich sehr leicht gewinnen und verarbeiten. Im Gegensatz zu den Fasern, die für die Herstellung von Textilien benötigt werden, und ähnlich aufwändig bearbeitet werden müssen wie Flachs, wird der Bast aus den frisch geernteten Stängeln der Großen Brennnessel (Urtica dioica) gewonnen und kann mit den Händen verarbeitet werden. Zum Ernten der Brennnessel-Pflanzen sind allerdings dichte Handschuhe sehr zu empfehlen. Je nach Brennnessel-art, Standort und Jahreszeit kann die Farbe der Pflanzen von hellgrün über dunkelgrün, rötlich bis zu beinahe schwarz variieren. Wenn man Brennnessel-Bast an verschiedenen Stellen und über einen größeren Zeitraum erntet, kann man bei der weiteren Verarbeitung spannende und lebendige Farbschattierungen erhalten.

Die (Bast-)Fasern der Brennnessel sind ausgesprochen reißfest und können, nachdem sie zu einer Kordel gedreht wurden, wie Bindfaden verwendet werden. Auch zum Herstellen von Taschen und Netzen sind sie geeignet. Eine Anleitung für ein nadelgebundenes Netz aus Brennnessel-Kordel folgt.

Kordel aus Brennnessel-Bast

Material

  • Brennnessel-Pflanzen
  • Lederhandschuhe
  • Gartenschere
  • für ein Netz: Webnadel (oder selbst geschnitzte Nadelbinde-Nadel aus Holz)

Ernte des Brennnessel-Bastes

Am besten geeignet sind große Brennnesseln-Sorten (Urtica dioica) mit langen Stängeln und wenigen Blättern. Aus ihnen lassen sich am schnellsten viele lange Bastfasern gewinnen. Grundsätzlich sind aber alle Brennnesseln geeignet, vor allem in den Sommer- und Herbstmonaten. Es ist empfehlenswert, für die Ernte langärmelige Kleidung und Lederhandschuhe zu tragen.

Die Brennnessel-Pflanzen mit einer Gartenschere mindestens 20 cm über dem Boden abschneiden. Dann die Pflanze mit einer Hand im oberen Drittel festhalten und mit der anderen, behandschuhten Hand den Stiel in Richtung Wurzel entlangfahren. Dabei werden Blätter und ggf. kleine Seitentriebe entfernt. Das Gleiche nochmal mit festem Griff in die entgegengesetzte Richtung wiederholen. Danach sollten alle Brennhaare neutralisiert sein, für die weitere Bearbeitung sind dann keine Handschuhe mehr notwendig.

Einen Brennnessel-Stiel vom Wurzelende her mit einem (nicht zu scharfen) Messer oder mit dem Daumennagel halbieren.

Eine Hälfte in die Hand nehmen und nach hinten abknicken. Dabei bricht das innere, verholzte Mark und lässt sich in beide Richtungen von der äußeren Bastschicht leicht abziehen.

Meist liegen mehrere Fasern nebeneinander, die sich gemeinsam lösen. Diese werden anschließend weiter unterteilt. Dann werden die Fasern über einen Haken zum Trocknen aufgehängt.

Für den Anfang der Kordel drei Baststränge nehmen, ungefähr in der Mitte zusammenlegen und die entstandene Schlaufe mit einer Hand festhalten. Mit der anderen Hand die eine Hälfte der Fasern miteinander verdrehen, dann die verdrehten Fasern über die noch unverdrehten Fasern legen und diese dann ebenfalls verdrehen.

Die beiden Faserstränge jeweils abwechselnd in eine Richtung verdrehen und in die entgegengesetzte Richtung verkreuzen (siehe Skizze). Wenn einer der Baststränge zu Ende geht, wird ein weiterer, in der Mitte gefalteter in die Öffnung der beiden Faserstränge gelegt und eingearbeitet.

Für das Netz auf diese Weise eine Kordel von mindestens zwei Metern Länge herstellen. Das Ende offen lassen.


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Avatar von Unbekannt

Autor: Maison Rieck Manufaktur

Kräuterpädagogin, Fermentista, leidenschaftliche Köchin, Naturmaterial-Künstlerin, Fränkin

2 Kommentare zu „Kordel aus Brennnesselfasern“

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